Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie
Die Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie (AOW-Psychologie) ist eins der großen Anwendungsfächer der Psychologie. Wer verstehen will, was Menschen auf der Arbeit erleben, warum sie dort so handeln, wie sie handeln; wer wissen will, was Menschen auf der Arbeit stört und was sie zufrieden macht und persönlich reifen lässt, warum manche Höchstleistungen erbringen und andere unteren ihren Fähigkeiten bleiben; wer sich wundert, warum Menschen manchmal seltsame Finanz- und Kaufentscheidungen treffen oder sich durch Werbung beeinflussen lassen; wer den Bereich des Lebens, in dem viele Menschen die meiste Lebenszeit verbringen – die Arbeit – besser machen will: der ist in der AOW-Psychologie richtig.
Vieles, was Studierende in der AOW-Psychologie lernen, kann mehr oder weniger direkt im Beruf angewandt werden. Beispielsweise können aus den Erkenntnissen der Forschung zur Personalauswahl viele konkrete Hinweise ableitet werden, wie ein Personalauswahlprozess gestaltet werden sollte. Ebenso wird vielen Universitäten gelehrt, wie Trainings konzipiert, Mitarbeiterbefragungen durchgeführt oder Veränderungsprozesse begleitet werden sollten.
Anderes Wissen hat indirekt Bedeutung für den späteren Berufsalltag: Ziel eines Studiums ist es ja auch Prinzipien zu verstehen und sie auf neue Situationen anwenden zu können. Wer beispielsweise als Angestellte/r ein Konzept ausarbeiten soll, wie die Arbeitsbedingung einer ganz bestimmten Berufsgruppe – beispielsweise der Mitarbeitenden einer Stadtreinigung – so verbessert werden kann, dass sich weniger Mitarbeitende aus Krankheitsgründen frühpensionieren lassen müssen, wird im Studium wenig über diese Berufsgruppe gelernt haben, sollte aber wissen, wie so eine Fragestellung prinzipiell und auch wissenschaftlich fundiert angegangen werden sollte. Genauso ist es unwahrscheinlich, dass man im Studium gelernt hat, wie ein spezielles Mentoring-System für Berufstätige mit Sehbehinderungen evaluiert wird. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass man im Studium allgemein gelernt hat, wie eine betriebliche Intervention evaluiert wird und dies dann auf solche Situationen angewandt werden kann. Kurzum, Studierende lernen, wie sie verschiedene praktische Problemstellungen durch Analyse, Interventionsgestaltung und Evaluation bearbeiten können.
Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologinnen und -psychologen forschen vor allem im Feld, also im direktem Lebensumfeld der Studienteilnehmer/innen. Beispielsweise werden mögliche Stressoren in einem Betrieb erfasst und mit Schlafstörungen in Verbindung gebracht, oder Berufseinsteigerinnen und -einsteiger werden in ihren ersten Monaten in ihrer ersten Organisation zu mehreren Zeitpunkten befragt. Immer mehr steht auch im Fokus zu untersuchen, wie sich Arbeitsverhalten dynamisch, beispielsweise über den Tag hinweg oder die Arbeitswoche, verändert. Manchmal gelingt es auch, Organisationen zu überzeugen, Feldexperimente durchzuführen, wie Jerald Greenberg 1988: Als eine Versicherung temporär in ein anderes Gebäude umziehen musste, durfte er festlegen, wer welches Zimmer bekam, und konnte dann zeigen, dass die Angestellten, die sich ungerecht behandelt fühlten, tatsächlich weniger Versicherungen verkauft haben.
Immer wieder gelingt es auch, Phänomene der Arbeitswelt in das Labor zu holen. Das hat den Vorteil, dass im Labor einfacher untersucht werden kann, welche Prozesse in den Köpfen der Menschen ablaufen – und es ist möglich experimentell zu arbeiten, sodass auch kausale Schlussfolgerungen gezogen werden können.
Außerdem ist die AOW-Psychologie stolz darauf, dass sich aus praktischen Fragestellungen unseres Fachs die Metaanalyse entwickelt hat. Metaanalysen sind Studien über Studien – es werden verschiedene Einzelstudien auf statistische Art und Weise zusammengefasst. Metaanalysen sind mittlerweile nicht nur in der Psychologie, sondern auch in anderen Fächern weit verbreitet, weil man sich auf solche Zusammenfassung mehr verlassen kann als auf Einzelstudien.